Preissteigerungen bei Bauwerksverträgen

Covid-bedingt kommt es nach Abschluss von Bauwerksverträgen zu Materialpreissteigerungen. Es stellt sich die Frage, wer derartige ­Materialpreissteigerungen zu tragen hat.

Auftraggeber und Auftragnehmer stehen – pandemiebedingt – vor der Herausforderung, dass ursprünglich vereinbarte Materialpreise nicht mehr gehalten werden können. Daraus entsteht ein Spannungsfeld, das von der Verweigerung von Leistungen durch den Auftraggeber (AG) bis zur Nichtbezahlung erhöhter Preise durch den Auftragnehmer (AN) reicht.

Ausgangslage

Zu prüfen ist, in welche Sphäre eine Preissteigerung zuzuordnen ist und ob diese unvorhersehbar und unabwendbar ist. Dafür wird auch der Begriff „höhere Gewalt“ verwendet. „Höhere Gewalt“ wird definiert als ein: „von außen einwirkendes elementares Ereignis, das auch durch die äußerst zumutbare Sorgfalt nicht zu verhindern war und so außergewöhnlich ist, dass es nicht als typische Betriebsgefahr anzusehen ist.“ Bauwerksverträge werden entweder nach den Bestimmungen des ABGB abgeschlossen oder unter Anwendung der relevanten ÖNORMEN, meistens der ÖNORM B 2110. Daraus ergeben sich verschiedene Rechtsfolgen.

ABGB vs. ÖNORM

Das ABGB kennt den Begriff der „Geschäftsgrundlage“, der etwa in § 1104 im Zusammenhang mit dem Bestandvertrag definiert ist. Eine ähnliche Regelung findet sich in § 1168 ABGB, der für Werkleistungen anwendbar ist. Es geht daher primär darum herauszufinden, in welcher Sphäre (AG oder AN) eine Störung eintritt. Der herrschenden Meinung folgend wird eine Pandemie als ein außerordentlicher Zufall und letztlich auch als höhere Gewalt qualifiziert und ist somit weder der Sphäre des AG noch der Sphäre des AN zuzurechnen. In der ÖNORM B 2110, ist die höhere Gewalt in Punkt 7.2. geregelt. Darin wird festgehalten, dass es der Sphäre des AG zuzuordnen ist, wenn die vertragsgemäße Ausführung der Leistung objektiv unmöglich ist oder zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht vorhersehbar war und vom AN in nicht zumutbarer Weise abwendbar ist. Bei Anwendung dieser Grundsätze steht fest, dass es sich bei der Pandemie um etwas nicht Vorhersehbares und um etwas Außergewöhnliches handelt.

Rechtsfolgen

Unterliegt ein Bauwerksvertrag den Regelungen des ABGB, trifft das Risiko nachträglicher - pandemiebedingter - Preissteigerungen grundsätzlich den Auftragnehmer. Dieser hat sein Werk trotz unerwarteter höherer Selbstkosten zum vertraglich zugesagten Preis zu verrichten. Unterliegt ein Bauwerksvertrag hingegen der ÖNORM B 2110 gilt, dass derartige Preissteigerungen der Auftraggeber zu tragen hat. Achtung: Unabhängig von diesen Grundlagen können andere Rechtsinstrumente, wie die Sittenwidrigkeit oder Irrtumsregeln, greifen und ist eine eindeutige Beurteilung nur im Einzelfall möglich. Jeder zweiseitige Vertrag, der pandemiebedingt nicht in der vereinbarten Form erfüllbar ist, ist von derartigen Themen betroffen.

| Joachim Bucher

 

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