Kleinbetragssparbücher sind doch keine „lupen­reinen“ ­Inhaberpapiere

Sparbücher, deren Guthabenstand weniger als € 15.000,00 beträgt, die nicht auf einen Namen lauten und mit einem Losungswort versehen werden, sind sogenannte „Inhaberpapiere“.

Auszahlungen von Spareinlagen dürfen nur gegen Vorlage der Sparurkunde und Benennung des Losungswortes geleistet werden. Auf die Person des Auszahlungswerbers kommt es im Regelfall nicht an, da Kreditinstitute gemäß den Regelungen des Bankwesengesetzes eben zur Leistung berechtigt – und auch vertraglich verpflichtet – sind, sofern das Sparbuch vorgelegt und das Losungswort mitgeteilt werden kann.

Im Rahmen seiner Entscheidung 3 Ob 208/21s bestätigte der Oberste Gerichtshof nunmehr jedoch die Entscheidung der Vorinstanzen, wonach eine Bank durchaus berechtigt sein kann, die Auszahlung an den Inhaber zu verweigern. Im konkreten Fall wurde ein Umzugsunternehmer von den Erben eines Verstorbenen mit der Räumung eines Geschäftslokals beauftragt, wobei der Unternehmer zusätzlich die vorhandenen Fahrnisse um einen Pauschalpreis von € 1.000,00 erwarb, um diese weiter zu veräußern.

Im Zuge der Räumungsarbeiten fand der Unternehmer 27 Kleinbetragssparbücher des Verstorbenen, die mit dem jeweiligen Losungswort versehen waren und vom Verstorbenen in einer „Waschmaschinentrommel“ versteckt wurden. Der Räumungsunternehmer wandte sich in weiterer Folge an die Bank, wies die Urkunden und Losungsworte vor und stützte sich nach der ersten Weigerung der Bank auch noch darauf, die Sparurkunden käuflich erworben zu haben.

Das Kreditinstitut seinerseits verwies jedoch darauf, dass unbekannte Sparbücher nicht vom Fahrnisbegriff des vereinbarten Kaufes in Bausch und Bogen umfasst gewesen seien und stützte sich auf den Standpunkt, dass die gesetzliche Auszahlungsberechtigung keine Auszahlungsverpflichtung zur Folge habe, wenn erweislich sei, dass der Vorleger mangels Rechtsnachfolge (Kauf, Schenkung, Erbschaft, etc.) oder Vollmacht nicht zur Geltendmachung des Auszahlungsanspruches berechtigt sei. Sämtliche Instanzen bestätigen die Rechtsansicht der beklagten Bank, wonach diese nicht jedenfalls und unumwunden auszahlen müsse, sondern berechtigt ist, die materielle Berechtigung des Vorlegers zu prüfen.

Dies begründeten die Gerichte u.a. mit dem nicht zu beanstandenden Verweis auf die Richtlinie der Europäischen Union zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung und dem dazu erlassenen Finanzmarkt-Geldwäschegesetz, die einer unbedingten Auszahlungspflicht gegen Vorlage der Urkunde und Nennung des Losungswortes trotz Vorliegens eines Verdachtes auf Fehlen der materiellen Berechtigung nicht vereinbar seien.

| Martin Schiestl

 

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