Gesellschafterinsolvenz und Aufgriffsrechte

In vielen GmbH-Gesellschaftsverträgen wird sinngemäß geregelt, dass wenn über das Vermögen eines Gesellschafters ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, die übrigen Gesellschafter das Recht haben, seinen Geschäftsanteil besonders „günstig“ aufzugreifen.

Der OGH hat in seiner Entscheidung 6 Ob 64/20k dieses umstrittene Thema klargestellt.

Im gegenständlichen Fall wurde zwischen den Gesellschaftern einer GmbH geregelt, dass für den Fall, dass ein Gesellschafter in die Insolvenz verfällt, die übrigen Gesellschafter ein anteiliges Aufgriffsrecht haben und der „begutachtete Wert“ des Geschäftsanteiles (Verkehrswert) unter Vornahme eines Abschlages von 20% aufgegriffen (erworben) werden kann.

Die Insolvenzordnung (IO) kennt dafür keine Spezialbestimmung. Der OGH hat sich mit § 26 Absatz 3 IO auseinandergesetzt. Dabei handelt es sich um eine Regelung, die besagt, dass der In­sol­venz­verwalter an Anträge des Schuldners, die vor der Eröffnung des In­sol­venz­verfahrens schon existiert haben, aber noch nicht (von dritter Seite) angenommen worden sind, nicht gebunden ist.

Zweck dieser Regelung ist es, dass der Insolvenzverwalter die Entscheidung haben soll, ob derartige Anträge von ihm angenommen werden oder nicht, um einen möglichen Nachteil für das Insolvenzvermögen zu verhindern.

Der OGH hat die Anwendbarkeit dieser Spezial­bestimmung des Insolvenz­rechtes auf gesellschaftsverträgliche Aufgriffsrechte verneint. Der OGH sieht daher keine Bedenken gegen derartige Aufgriffsklauseln in Gesellschaftsverträgen für den Fall der Insolvenz.

In weiterer Folge hat sich der OGH mit dem Aufgriffspreis, im gegenständ­lichen Fall mit dem Verkehrswert für den Geschäftsanteil, befasst. Regelt die Aufgriffsklausel die Übernahme des Geschäftsanteiles durch die übrigen Gesellschafter zum Verkehrswert, bestehen rechtlich keine Bedenken. Regelt der Gesellschaftsvertrag eine Reduk­tion des Aufgriffspreises, ist dies nicht grundsätzlich unzulässig.

Der OGH hat jedoch festgestellt, dass derartige Reduktionen des Aufgriffspreises nicht beliebig vereinbart werden können. Wenn generell Aufgriffsrechte eines ausscheidenden Gesellschafters (etwa durch Ausschlussklage, Insolvenz, Kündigung, Tod des Gesellschafters) in derselben Art und Weise vereinbart werden, dann wäre es unzulässig, eine reduzierte Abfindung generell auszuschließen. Unzulässig ist jedenfalls der völlige Ausschluss einer Abfindung.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der OGH festgestellt hat, dass Aufgriffsrechte grundsätzlich insolvenzfest sind und keine Spezialbestimmungen der IO dagegen sprechen. Vertragliche Beschränkungen oder Reduzierungen der Abfindungen sind grundsätzlich zulässig, aber nur dann, wenn es für alle Fälle des Ausscheidens des Gesellschafters anwendbar sind.

| Joachim Bucher

 

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