Die Folgen des „Kuh-Urteils“
Das Verfahren, im Zuge dessen die Hinterbliebenen einer Wanderin Schadenersatzansprüche gegen den Eigentümer einer Kuhherde geltend machten, ist nunmehr rechtskräftig entschieden (OGH vom 30.04.2020, 5 Ob 168/19w).
Das Höchstgericht sah im gegenständlichen Fall ein Mitverschulden des Landwirtes und der Wanderin gegeben. Das Mitverschulden der Wanderin wurde damit begründet, dass diese trotz Warnschildern mit ihrem angeleinten Hund in unmittelbarer Nähe neben den Kühen vorbeigehen wollte und die Hundeleine so an ihrer Hüfte fixiert hatte, dass es ihr nicht möglich war, diese leicht zu lösen. Dem Landwirt wurde zwar zugestanden, dass Kühe im Allgemeinen keine Gefahr für Menschen darstellen würden, weswegen eine Abgrenzung eines Wanderweges zu einem Weidegebiet an sich nicht notwendig sei.
Zur Last gelegt wurde ihm aber, dass ihm bekannt war, dass die Herde über Jungtiere verfügte, Muttertiere „aggressiver“ seien, es zuvor schon zu Zwischenfällen mit Tieren der Herde gekommen war und daher in diesem Fall eine Gefahrenabwendung, beispielsweise durch einen Weidezaun, zumutbar gewesen wäre. In Anbetracht der möglichen Auswirkungen dieses jahrelangen Verfahrens auf Almwirtschaften, Viehbauern und Wegeerhalter, hat der Gesetzgeber vergleichsweise bereits früh reagiert und die Eigenverantwortung von Wanderern auf Almen in § 1320 ABGB hervorgehoben.
Da aber zeitgleich statuiert wurde, dass ein Viehhalter in der Alm- und Weidewirtschaft betreffend die Verwahrung „auf anerkannte Standards der Viehhaltung zurückgreifen“ kann, im Übrigen aber „im Hinblick auf die ihn bekannte Gefährlichkeit der Tiere, die ihm zumutbaren Möglichkeiten zur Gefahrenvermeidung“ zu ergreifen hat, ist fraglich, ob mit dieser Neuregelung unter zu Hilfenahme auslegungsbedürftiger Begriff eine deutliche Änderung der Rechtslage herbeigeführt wurde.
Im Zweifelsfall wird Alm- bzw. Viehbauern zu empfehlen sein, über das Aufstellen von Schildern hinausgehende Maßnahmen zu ergreifen.
| Martin Schiestl