Der Leiter der General­versammlung einer GmbH

Das GmbH-Gesetz kennt keine Bestimmung über die Bestellung eines Leiters einer Generalversammlung. Diese Funktion ist in einer – nicht harmonisch besetzten Generalversammlung – jedoch von entscheidender Bedeutung. Dieser Artikel gibt Ihnen einen Überblick über das Wesen des Leiters der Generalversammlung.

1. Aufgaben – Rechtsposition

Der Leiter der Generalversammlung hat wichtige Entscheidungen zu treffen. Bei strittigen Generalversammlungen muss der Leiter der Generalversammlung unter anderem darüber entscheiden, wer überhaupt ein Stimmrecht hat, ob Vertretungsbefugnisse von Gesellschaftern korrekt wahrgenommen werden, ob und in welchem Ausmaß Stimmrechte gegeben sind, wem etwa das Wort erteilt wird, ob die Tagesordnung geändert wird, welche Beschlüsse festgestellt werden, welche Fragen zugelassen werden und letztlich wann die Generalversammlung als beendet erklärt wird. All diese Aufgaben erfordern nicht nur ein ausgeprägtes Wissen über das Gesellschaftsrecht als solches, sondern auch ein Fingerspitzengefühl in der Behandlung der einzelnen Gesellschafter, zumal es unter Umständen um wesentliche Entscheidungen der Gesellschaft und deren Schicksal geht.

2. Wer kommt in Frage?

In den meisten Fällen wird entweder der stimmungsstärkste Gesellschafter oder der an Lebensjahren älteste Gesellschafter zum Verhandlungsleiter bestellt, wobei es dafür keine Rechtsgrundlagen gibt. In Frage kommt auch der Geschäftsführer, der nicht Gesellschafter ist, quasi als unabhängige Person aus der Sicht der Gesellschafterposition. Problematisch ist die Bestellung des Geschäftsführers als Leiter der Gesellschafterversammlung deshalb, da der Geschäftsführer den Gesellschaftern weisungsgebunden ist. In vielen Fällen kommen auch gesellschaftsfremde Personen, etwa Rechtsanwälte oder Notare, in die Position des Leiters der Generalversammlung. Das hat den Vorteil, dass diese Professionisten in der Regel eine gute Kenntnis vom Gesellschaftsrecht haben. Die Bestellung von gesellschaftsfremden Personen bedarf einer Beschlussfassung der Gesellschafter. Ein Teil des Schrifttums fordert die Einstimmigkeit für eine derartige Beschlussfassung, anderenfalls Minderheitsgesellschaftern Rechte verkürzt werden. Der OGH geht davon aus, dass eine einfache Stimmenmehrheit zur Bestellung eines gesellschaftsfremden Leiters der Generalversammlung ausreicht. Er begründet es damit, dass etwaige verkürzte Minderheitsgesellschafter ohnehin das Recht haben, die aus ihrer Sicht unrichtig zustande gekommenen Beschlüsse gemäß § 21 GmbH-Gesetz anzufechten. Diese Frage der Beschlussmehrheit für die Bestellung des Leiters der Generalversammlung gilt natürlich auch für die Variante, dass ein Gesellschafter selbst zum Leiter der Generalversammlung bestellt wird.

3. Konfliktsituation

Die teilweise unlösbare Konfliktsituation besteht darin, dass bei nicht harmonisch geführten Gesellschafterversammlungen unter Umständen keine einfache Mehrheit zu erreichen ist (etwa Pattsituation), die zur Bestellung des Leiters der Gesellschafterversammlung erforderlich ist. Dadurch kann die Situation entstehen, dass keine ordnungsgemäßen Beschlüsse gefasst werden, dass keine oder widersprechende Protokolle verfasst werden und der eine oder andere Gesellschafter gezwungen ist, das Gericht hinsichtlich festgestellter Beschlüsse im Rahmen einer Nichtigkeitsklage anzurufen. In der Praxis ist das nicht gewollt, da es das Fortkommen und auch den Bestand der Gesellschaft gefährdet.

4. Lösungsansätze

Da das Gesetz keine eindeutige Regelung vorgibt, ist es zwingend erforderlich, dass bereits im Gesellschaftsvertrag Regelungen dafür getroffen werden, wer die Leitung der Generalversammlung innehat. Die möglichen Varianten sind jene, dass etwa der stimmenstärkste Gesellschafter, oder wenn es nur natürliche Personen gibt, als Variante der älteste Gesellschafter oder, wenn es eine Pattsituation gibt und der Geschäftsführer nicht Gesellschafter ist, der Geschäftsführer die Leitung der Generalversammlung übernimmt. Dazu bedarf es einer expliziten Regelung im Gesellschaftsvertrag. Ein besonderes Augenvermerk ist auch darauf zu legen, dass wenn Gesellschafter ihre Geschäftsanteile veräußern können, sich die ursprüngliche Situation verändert. So ist zum Beispiel der bei der Begründung geregelte Leiter der Generalversammlung, nämlich der älteste Gesellschafter, unter Umständen nach Durchführung von Abtretungen von Gesellschaftsanteilen nicht mehr der Älteste und die ursprüngliche Absicht wird dadurch vereitelt.

5. Zusammenfassung

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass (i) die Leitung der Generalversammmlung von wesentlicher Bedeutung ist, (ii) die klare – auch für zukünftige Abtretungen – Regelung des Leiters der Generalversammlung unter Umständen von existenzieller Bedeutung der Gesellschaft sein kann und (iii) die Nichtregelung des Leiters der Generalversammlung zu massiven Problemen in der Generalversammlung führen kann.

| Joachim Bucher

 

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