Der Begriff der beharrlichen Pflichtenverletzung im Sinne des § 15 Abs. 3 lit. c BAG

Eine beharrliche Pflichtenverletzung eines Lehrlings, die den Arbeitgeber zur Entlassung berechtigt, liegt gemäß der Formulierung des Berufsausbildungsgesetzes vor, wenn dieser trotz wiederholter Ermahnung seine beruflichen oder schulischen Pflichten verletzt.
Dieser Wortlaut hebt sich somit deutlich von jenem des § 27 Ziffer 3 Angestelltengesetz bzw. § 82 lit. f Gewerbeordnung ab, die „nur“ eine beharrliche Pflichtenverletzung vorsehen ohne Ermahnungen zu fordern.
Im Bereich des Angestelltengesetzes oder der Gewerbeordnung setzt eine Entlassung gemäß der Rechtsprechung grundsätzlich zumindest eine Ermahnung voraus. In Einzelfällen, nämlich, wenn das Verhalten entsprechend massiv ist und eine besondere Uneinsichtigkeit des Arbeitnehmers vorliegt und die Weigerung als endgültig und eindeutig aufgefasst werden muss, sodass eine Ermahnung „sinnlos“ wäre, kann eine solche Ermahnung durch den Arbeitgeber zwar unterbleiben und eine Entlassung nichtsdestotrotz ausgesprochen werden, der Nachweis für das Vorliegen einer solchen Situation muss aber vom Arbeitgeber geführt werden.
Im Anwendungsbereich des BAG ist diese Rechtsprechung, auch wenn diese von Lehrberechtigten immer wieder herangezogen wird, auf Grund des eindeutigen Gesetzeswortlautes („trotz wiederholter Ermahnung“) keinesfalls anwendbar, da das BAG den – zumeist jugendlichen - Lehrling in gewisser Weise „vor sich selbst schützen“ möchte. Es ist daher jedem Lehrberechtigten anzuraten, einen Lehrling vor Ausspruch einer Entlassung gemäß § 15 Abs. 3 lit c BAG zumindest zweimal nachweislich/schriftlich wegen des gleichen Fehlverhaltens zu ermahnen, um sich nicht einer (berechtigten) Klage auf Schadenersatz/Kündigungsentschädigung oder gar einer Feststellungs- und Leistungsklage auf laufendes Entgelt auszusetzen.
Eine derart krasse Pflichtverletzung, die eine vom Gesetzeswortlaut vorgesehene „wiederholte“ Ermahnung obsolet macht, wäre grundsätzlich beispielsweise bei einer erheblichen Schadenszufügung, extremen Uneinsichtigkeit und einem unumstößlichen Verharren in einem pflichtwidrigen Verhalten durch den Lehrling zwar theoretisch denkbar, praktisch jedoch auf Grund des Normzweckes nahezu ausgeschlossen.
| Martin Schiestl
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bucher | partner RECHTSANWÄLTE empfehlen insbesondere Lehrberechtigten daher vor dem beabsichtigten Ausspruch von Entlassungen gegenüber einem Lehrling und trotz des durch die nötige Unverzüglichkeit des Entlassungsausspruches engen Zeitrahmens sich vorab juristischen Rat einzuholen.