§ 10 Abs. 2 Urlaubsgesetz (UrlG) ist unionsrechtswidrig

Die österreichischen Gerichte hatten sich kürzlich mit der Klage eines ehemaligen Arbeitnehmers zu befassen, der von seinem ehemaligen Arbeitgeber die Bezahlung einer Urlaubsersatzleistung in Höhe von € 322,06 forderte (OGH 9 ObA 137/19s).
Bemerkenswert war gegenständlichen falls, dass der Arbeitnehmer das Dienstverhältnis unstrittig ohne wichtigen Grund durch vorzeitigen Austritt selbst beendet hatte. Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren unter Verweis auf die eindeutige Regelung des § 10 Abs. 2 UrlG ab, welcher bestimmt, dass im Falle eines unbegründeten vorzeitigen Austrittes keine Urlaubsersatzleistung zusteht.
Auf Grund der Argumentation des Arbeitnehmers, wonach § 10 Abs. 2 UrlG gegen Unionsrecht, konkret gegen Artikel 31 Abs. 2 GRC (EU-Grundrechte-Charter) sowie gegen Artikel 7 der Arbeitszeit-Richtlinie 2003/88/EG verstoße und daher nicht angewendet werden dürfe, sah sich der Oberste Gerichtshof letztlich jedoch veranlasst, das konkrete Verfahren zu unterbrechen und die aufgeworfene Rechtsfrage dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorzulegen.
Der Europäische Gerichtshof judizierte nun, dass § 10 Abs. 2 UrlG tatsächlich unionsrechtswidrig ist und nicht angewendet werden darf, da die vorgenannten europäischen Regelungen ein Grundrecht auf einen bezahlten Jahresurlaub vorsehen würden, von dem auch ein Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für nicht verbrauchten Urlaub umfasst sei. Auf den Grund für die Beendigung des Arbeitsvertrages kommt es nach Ansicht es Europäischen Gerichtshofs schlicht und ergreifend nicht an.
Auch wenn der Arbeitnehmer selbst die Möglichkeit der Inanspruchnahme seines Jahresurlaubes durch vorzeitigen Austritt vereitle, sei dies unbeachtlich, da die Arbeitszeitrichtlinie ausschließlich voraussetze, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist und nicht der gesamte Jahresurlaub verbraucht wurde, auf welchen zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch bestand. Diese Entscheidung hat über den Anlassfall weit hinausgehende Relevanz, da sie von Österreichischen Gerichten auch hinkünftig angewendet bzw. im Rahmen der Rechtsprechung berücksichtigt werden muss.
Das bedeutet nicht zuletzt, dass auch andere vorzeitig ausgetretene Arbeitnehmer, deren Austritt auch schon einige Zeit zurückliegen mag, noch Ansprüche gegen ihre ehemaligen Arbeitgeber stellen können, wobei in derartigen Fällen grundsätzlich die kollektiv- oder einzelvertraglich vereinbarten Verfallsfristen zu beachten sind und – soweit solche nicht bestehen – die dreijährige Verjährungsfrist zu tragen kommt.
| Martin Schiestl
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bucher I partner RECHTSANWÄLTE empfehlen Unternehmen aber auch Arbeitnehmern im Hinblick auf diese Rechtsprechung daher kürzlich erstellte Endabrechnung zu überprüfen und im Falle hinkünftig abzurechnender Beendigungsansprüche auf diese Rechtslage Rücksicht zu nehmen.